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Wie die Odenwälder Tafel immer mehr Herausforderungen stemmt

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Hessische Grünen-Politiker haben die Tafel Erbach-Michelstadt besucht. Diese
Gelegenheit nutzten Tafel-Mitarbeiter, um auf ihre Herausforderungen aufmerksam zu machen.


Michelstadt. Montag, 10 Uhr. Die erste Lieferung an Lebensmitteln wird von mehreren Frauen aussortiert. Ist das Obst noch in Ordnung? Riecht der Salat schon muffig oder ist er noch verzehrbar? Das meiste Obst und Gemüse ist noch in einem guten Zustand, doch manches landet am Ende des Tages doch noch in der Tonne. Regale voller
Trockenware, Dosen – und aktuell auch jede Menge Schoko-Osterhasen, die zum Glück noch mindestens zwei Monate haltbar sind – stehen in den Lagerräumen bereit.

Alle zwei Wochen können Bedürftige entweder dienstags oder donnerstags im Stadtring 88 in Michelstadt bei der Tafel Erbach-Michelstadt Lebensmittel gegen einen Obolus von zwei Euro abholen. Der Wert der ausgegebenen Ware beläuft sich auf etwa 60 Euro. „Eine Tüte mit Obst- und Gemüse wird vorbereitet, genauso wie Trockenware“, sagt Sonja Schimpf, stellvertretende Vorsitzende des Tafelvereins. „An den Kühlschränken und den Backwaren können die Kunden selbst auswählen.“

Hessische Grünen-Politiker besuchen Tafel in Michelstadt
Die rund 130 Mitarbeiter der Odenwälder Tafel versorgen etwa 500 Haushalte mit 1.200 Familienmitgliedern. Die Bedürftigen kommen überwiegend aus dem Raum Erbach und Michelstadt, aber auch aus Bad König und Oberzent. „Wir sind die einzige Tafel im Odenwaldkreis“, weiß Schimpf. Deshalb müssen einige Leute einen recht
weiten Weg auf sich nehmen, um das Angebot wahrnehmen zu können.

Finanziell stehe die Tafel Erbach-Michelstadt nach Reinhold Ruhr, erster Vorsitzender, aktuell gut da, was aber nichts daran ändere, dass die Einrichtung auf finanzielle Spenden angewiesen ist. „Wir erhalten eine gute Unterstützung vom Land Hessen und nehmen viele Fördermöglichkeiten wahr. Das ist aber auch oft mit einem
bürokratischen Aufwand verbunden“, sagt Ruhr in Richtung Mathias Wagner, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Hessischen Landtag und Felix Martin, sozialpolitischer Sprecher, die sich an diesem Montag ein Bild von der aktuellen Situation der Odenwälder Tafel machen.

Wagner tourt in dieser Woche mit Martin durch ganz Hessen und besucht soziale Einrichtungen. Für die Tafel Erbach-Michelstadt hat er auch noch gute Nachrichten im Gepäck: „Im Landeshaushalt ist ein eigener Posten für die Förderung der Tafeln vorgesehen.“ Diese Fördergelder könne man beantragen, auch für investive
Maßnahmen.

Immer weniger Lebensmittelspenden von Supermärkten
„Was auch sehr gut funktioniert, ist die Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung“, betont der Vorsitzende der Tafel. Wer beispielsweise einen Sozialhilfebescheid erhält,
finde auf dem Dokument den Hinweis, dass damit das Einkaufen bei der Tafel damit möglich ist. Dieser Bescheid werde bei der Anmeldung vorgezeigt und dann erhalte man einen Tafelausweis.

Was derzeit aber immer schwieriger werde, ist laut Ruhr das Beschaffen von Lebensmitteln bei Supermärkten. Aktuell erhalte die Tafel aussortierte Ware von etwa 35 Läden. Doch die haben immer weniger abzugeben. „Auch deswegen gab es eine Satzungsänderung, dass wir im Zweifel auch Lebensmittel kaufen können, wenn wir
ansonsten zu wenig zur Ausgabe haben.“ Das kostet allerdings wieder Geld. Umso wichtiger sei die Lieferantenpflege, also ein regelmäßiger Austausch mit den Supermärkten. Darüber hinaus geben auch landwirtschaftliche Betriebe auch mal Lebensmittel ab, Privatpersonen eher weniger.

Neue ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht
Auch das Thema Digitalisierung geht nicht an der Tafel Erbach-Michelstadt vorbei. Digitale Stechuhr und Lieferscheine sind bereits implementiert, aber „wir haben noch viel nachzuholen und müssen das Angefangene gut weiterentwickeln“, sagt Ruhr. Auch ein zeitnaher Umbau des Eingangsbereichs sei unumgänglich. Im Winter stehe
wegen der langen Schlange an Menschen die Tür offen und die Mitarbeiter bei der Anmeldung müssten sich dick einpacken. Das müsse sich ändern.

Und schließlich werden auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht mehr jünger. „Unser Durchschnittsalter beträgt 70 Jahre“, informiert Schimpf. Die Gewinnung neuer Mitarbeiter sei wichtig, aber auch eine weitere Herausforderung. „Man kann den Zeitaufwand selbst wählen, aber alle drei Wochen zwei bis vier Stunden helfen, sollte man schon.“ Was man dafür mitbringen sollte? Sonja Schimpf: „Motiviert und offen für Neues sein.“ Für jeden gebe es eine passende Aufgabe.

Quelle: Odenwälder Echo, 06.05.2025; Text: Julia Kühhirt, Bild: Dirk Zengel